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oke“ im Duden: „In hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“ Das Wort »woke«, engl. für »erwacht« oder »erweckt« war ursprünglich eine Selbstbezeichnung von an Bürgerrechten, Antidiskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit interessierten Menschen in den USA.

Mobbing ist schlecht. Ganz schlecht. Und dennoch kann man, wie es diese Gesellschaft routinemäßig bewerkstelligt, "das Kind mit dem Bade ausschütten".

Die heute vielfach propagierte Festlegung auf eine neue Art der „Aufgewecktheit“ („Wokeness“) schafft ein Klima, in dem es für die meisten Leute wesentlich schwieriger, manchmal fast unmöglich ist, jemanden nicht zu diskriminieren und sich nicht danebenzubenehmen.

Beispiel: Hält man beim Restaurantbesuch als Mann einer Frau die Türe auf und rückt ihr den Stuhl zurecht, könnte sie meinen, der Mann denkt, sie kriegt das nicht alleine hin. Lässt man solche Dinge bleiben, könnte sie meinen, der Mann ist ein gleichgültiger Stoffel ohne Manieren.

Nochmal abgekürzt: Wie man es auch macht, es ist falsch.

Warum ist das so?

Hier sind drei Gründe für Wokeness:

Erstens:

„Wokeness“ setzt jede Person, die nicht gerade selbst diskriminiert wird, unter einen generellen Anfangsverdacht. Beispiel: Jemand, der nicht * (Platzhalter für ein als diskriminierend empfundenes Merkmal) ist, begibt sich bei der Begegnung mit einer *-Person in eine permanente „Prüfungssituation“ (die zu prüfende Person wird genau beobachtet, jeder auch nur geringste Fehler führt zu Punktabzug), sodass ein ungezwungener Umgang mit einer solchen Person wesentlich schwieriger, wenn nicht unmöglich wird.

Zweitens:

„Wokeness“ stellt Gefühle und Meinungen über Tatsachen. Beispiel: Wer sich diskriminiert fühlt, ist nach „woker“ Lesart allein dadurch ins Recht gesetzt, unabhängig davon, ob die Person den Fakten nach wirklich diskriminiert (schlechter gestellt oder beleidigt) wurde oder nicht.

Drittens:

„Wokeness“ stellt die Gefühle der „Woken“ über die Gefühle der Betroffenen. Unter der Überschrift „Wokeness“ regen sich bestimmte Leute über Sachen auf, über die sich nicht mal die Betroffenen selbst aufregen. Die Rechtfertigung der „Woken“ dafür ist, dass die Betroffenen erstmal „sensibilisiert“ werden müssen, wie schlecht und grausam sie von den „Unwoken“ behandelt werden.

Drittens führt zu mehr Erstens. Eine Eskalationsspirale dreht sich.

Wer mobbt hier wen?

Damit ist also eine neue Religion in die Gesellschaft eingetreten, nach deren Glaubenslehre alle, die der neuen „Wokeness“ nicht vollumfänglich huldigen, Ungläubige sind, die es nie in irgendein Paradies schaffen, sondern auf ewig in der Hölle schmoren sollen. Und als kleinen Vorgeschmack auf diese Hölle werden die Unwoken schon in diesem Leben von den Woken beschimpft, beleidigt, geächtet, bei Bewerbungen nicht mehr berücksichtigt, aus Ämtern gejagt und auf jede denkbare Weise benachteiligt, also diskriminiert.

Nur damit ich es verstehe, wo ist dann der Unterschied zu früher? Oder, in anderen Worten: Wer mobbt hier wen?

Mei‘ Meinung

Ich bin gebürtiger Bayer. Bayern sind bekannt dafür, dass sie nicht jeden Schmarrn* mitmachen.

In Bayern gibt es eine alte, ungeschriebene Tradition und Lebensregel, die lautet: „Leben und leben lassen.“

Sie umreißt in einem griffigen Ausdruck ein Motto, das eine grundlegende Bereitschaft zur Toleranz ausdrückt, gegenüber anderen Leuten, auch solchen, deren Weltanschauungen, Haltungen, Einstellungen, Äußerungen und Handlungen man selbst nicht vollumfänglich teilt.

Tatsächlich wird das von vielen in diesem Landstrich im Grunde beherzigt. Die Bayern sind im Grunde so wie alle Menschen, sie mögen manches nicht und sie haben ihre Vorurteile („alles nichtbayerische ist Sache der „Preißn“, also der Nichtbayern, wobei die Bayern immer die besseren sind). Und doch haben die Bayern (Stichwort: „bayerische Gemütlichkeit“) eigentlich selten große Lust, sich über alles und jedes aufzuregen.

Bevor ich mich aufrege, ist mir's lieber wurscht*!

Daher könnte man auch sagen: „Leben und leben lassen“ ist ein Ausdruck der Toleranz, in dem auch eine gewisse Entspanntheit, Gelassenheit, aber auch Wurschtigkeit mitschwingt. Damit verbunden ist auch die Nichtbereitschaft, jede Modeerscheinung und jeden Aufreger mitzuzappeln.

Möglicherweise hat das einen historischen Hintergrund: Im Mittelalter und in der Zeit danach, die man unter Historikern als „Neuzeit“ bezeichnet (ab 1500 n. Chr.), war Bayern von den Wittelsbachern regiert worden (1180–1918). Die Wittelsbacher waren ein einflussreiches Adelsgeschlecht, sie hatten außerdem einen ausgeprägten Sinn für die Künste, Architektur, Ästhetik und den produktiven Fortschritt der Gesellschaft. Umso weniger waren sie geneigt, in dem allgemeinen Kriegstreiberzirkus vieler anderer Herrscher mitzumachen. Die Wittelsbacher haben Bayerns Kultur ganz sicher nachhaltiger geprägt als der Schuhplattler, das Jodeln und die CSU. Bis heute ist Bayern ein Bundesland, dem es in fast jeder Hinsicht besser geht als den übrigen Bundesländern, und das mag sehr wohl mit den Wittelsbachern und ihrer 738 Jahre währenden Regentschaft zu tun haben.

… Aber auch mit der Eigenheit der Bayern, sich nicht permanent von „de Preißn“ (also allen anderen) in ihre Sachen reinreden zu lassen. Diese Marotte wird von manchen nichtbayerischen Zeitgenossen als unkorrekt angesehen, aber den Bayern ist das (wie zu erwarten): wurscht.

*Schmarrn: bayrisch
[1] Gericht aus der bayrisch-österreichischen Küche; meist süßes „Zusammengerührtes“.
[2] umgangssprachlich: unsinniges Gerede.
[3] umgangssprachlich: geschmacklose oder minderwertige Ware.

*wurscht, Adj. bayrisch
egal, gleichgültig, ohne Belang.

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Ein Artikel von Gast-Autor: Engelbert Busch

Publiziert am
May 31, 2023
 in Kategorie:
Gleichheit

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